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Paris-Brest-Paris 2019 Ein Erfahrungsbericht

29.08.2019
Von Marc Grewe

Männer in den 50ern, Ärzte, Wirtschaftsprüfer und Angestellte. Seit 5 Tagen ohne eine Dusche in denselben Klamotten. Ihre unrasierten Gesichter liegen vor Erschöpfung gezeichnet auf den Tischen. Ihre Leiber liegen in Rettungsdecken eingewickelt auf dem Boden verteilt.
Was wie eine postapokalyptische Szene anmutet, findet sich tatsächlich Mittwoch früh irgendwo zwischen Brest und Paris etwa bei Kilometer 1020. Noch etwa 200 km sind am morgigen Tag auf dem Rad zu fahren, um die seit 1891 bestehende Traditionsfahrt von Paris an die Atlantikküste und zurück zu einem guten Ende zu bringen. 

Was ursprünglich das erste Radrennen der Welt war, wird heute alle vier Jahre von Ultradistanz-Radlern als Herausforderung für Körper und Geist zelebriert. Und jene, die an den Strecken wohnen, stehen und sitzen, applaudieren den Randonneuren bis spät in die Nacht zu, reichen Kaffee, Crêpe und selbstgebackenen Kuchen.

Aus über 60 Nationen kommen die Fahrer herbei. Darunter Länder wie Indien, Thailand und die Philippinen. Alle knapp 6700 Radler, die sich am Sonntagnachmittag in die Startblöcke einreihen, haben sich in diesem Frühjahr für diese Strapaze qualifiziert. D.h. sie haben mindestens vier Fahrten mit bis zu 600 km innerhalb vorgeschriebener Zeitgrenzen absolviert. So auch hier: wer in die Wertung kommen will, muss die 1200 Radkilometer innerhalb von 90, 84 oder 80 Stunden absolvieren - je nach Startgruppe. Das entspricht etwa einem Schnitt von 16 km/h. Ist eigentlich nicht viel, inkludiert aber alle Pausen zum Essen, Schlafen und sonstige Unterbrechungen. Ich starte in einer Gruppe mit 80-Stunden-Limit.
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Im Startblock D. Bereit für die große Tour.

Noch am Vortag, als ich mit den anderen Randonneuren in der Schlange zum Bike-Check stand, hat es ausgiebig geregnet. Erst am Sonntagmittag reißt der Himmel auf und die Strecke beginnt abzutrocknen.

Als es in meiner Startgruppe D um 16:45 Uhr losgeht, wird sofort ein starkes Tempo angeschlagen. Ich trete manchmal über 400 W um den Anschluss zu halten: Denn so günstig komme ich sonst gegen den Westwind nicht über die erste Etappe.

Nach 120 km gibt es den ersten Verpflegungspunkt. Es ist an der Zeit, die geforderte Signalweste überzuziehen und das Licht einzuschalten. In der immer dunkler werdenden Nacht zieht sich nach vorn ein Band von roten Rücklichtern, nach hinten eine Verfolgerschar weißer Scheinwerfer durch die Landschaft. Längst ist die Gruppendynamik verflogen und jeder sucht sich sein Tempo, mit dem er am besten durch die Nacht kommt. Anfänglich schließe ich noch zu Startern aus den Blöcken A bis C auf, sowie ich selbst überholt werde aus den Blöcken E und höher. Ansonsten bildet sich immer deutlicher eine Pendelbewegung aus, in der man die Fahrer vor und hinter einem immer wieder sieht: auf der Strecke und an den Kontrollstationen. Auch dann noch, wenn unterschiedliches Tempo gefahren wird, Aufenthalte an den Kontrollen und Schlafstrategie anders sind. 
 
Kurz vor Ende dieser Etappe (km 360) stelle ich dann aber fest, dass ich nicht mehr auf die untersten Ritzel schalten kann. Zu meinem Glück gibt es an der Kontrolle Radmechaniker. Nur dass die halt kein Wort Englisch verstehen, sowie ich ja praktisch kein Wort Französisch beherrsche. Und Derailleur fällt mir zwar als korrekte Vokabel für das Schaltwerk ein, kann es aber nicht richtig aussprechen. Noch während der Mechaniker die Schaltung prüft, zerfällt der Schaltzug in zwei Teile. Damit ist auch die Ursache der Probleme klar. Schneller Wechsel kostet 25€.

Da es ja nun quasi mitten am Tag ist, liegt mir Schlafen fern. Zwar überkommt mich immer wieder mal die Müdigkeit, der ich aber gelegentlich mit einem Powernap begegne und so tatsächlich über den Tag komme. 
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In die Nacht hinein.

Die Strecke erweist sich über lange Strecken als überaus gleichartig: Felder, kleine Örtchen, kleine Wälder. Auch die Streckenführung bietet wenig Abwechslung: die Wegbeschreibung für 100 km Strecke kann mit ungefähr 4 mal Abbiegen erfasst werden. Und vor allem Wellen. Ein ständiges Auf und Ab. Nie lang, nie habe ich 10% oder mehr gesehen. Aber es ist praktisch nirgendwo eben und die zumeist 5%-Steigungen erfordern immer wieder Kettenblattwechsel. So komme ich nicht in einen Rhythmus. Dazu weht mir ein leichter Westwind entgegen. Zusammen mit der aufkommenden Müdigkeit habe ich am Montagnachmittag einen Hänger. Ich lege mich in die Wiese und mache die Augen zu. Bis mich der Vibrationsalarm meines Handys wie ein großer Brummer hochschrecken lässt. 

Die siebte Etappe nach Brest hat endlich eine andere Qualität: es geht bergauf! Satte 350 Meter zum Sendemast Brest-Roc Trédudon. Eigentlich hatte ich gehofft, von dort oben bereits den Atlantik sehen zu können. Aber nein. Tatsächlich sieht man nichts vom Meer oder der Stadt Brest, bis man fast schon auf der ikonischen Pont Albert-Louppe in Brest rollt. Wenn man hier steht, hat man praktisch die Hälfte geschafft. Der Rest ist nur noch Rückweg.
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Kostenfreie Verpflegung am Wegesrand.

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Endlich in Brest!

An sich wäre jetzt ein guter und verdienter Zeitpunkt für ein paar Stunden Schlaf. Wenn ich aber nicht meinen gesamten Zeitpuffer verschlafen will, müsste ich gegen 4:00 Uhr wieder auf das Rad - im kältesten Teil der Nacht. Stattdessen entschließe ich mich, doch schon die erste Etappe des Rückwegs anzugehen und die anfänglich noch 2-stelligen Temperaturen mitzunehmen. Sowie ich aber am Höhepunkt dieser Tour, dem Sendemast, vorbei bin und auf die Abfahrt in’s Tal komme, sinkt die Temperatur auf knappe 6,5°C. Dazu zieht Nebel auf - es ist also echt ungemütlich. Ich schließe auf zwei Radfahrer auf, die mich fragen, ob ich nach Paris oder Brest unterwegs sei. Verwirrt antwortete ich natürlich nach Paris. Die beiden wollen aber nach Brest und haben irgendwo den Abzweig verpasst und kommen jetzt gerade vom Berg wieder herunter um den ausgewiesenen Weg zu suchen. Arme Kerle. Kalt, vermutlich übernächtigt und desorientiert.

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In der Kontrolle. Nur kurz schlafen kann einen schon viel weiter bringen.

Zurück in der Kontrolle um 3:30 Uhr (km 693) treffe ich auf das Gros der Radfahrer Richtung Brest. Zum einzigen Male erlebe ich eine Kontrolle sehr voll. Die Turnhalle dient als Schlafhalle und liegt zwei Gebäude weiter. Schlotternd stakse ich auf den Radschuhen über Sportplatz, und einen Rasenhang hinab. Duschen und Schlafen kostet 12€. Ich spare mir die Dusche und will um 8:00 Uhr geweckt werden. In meinen Radklamotten liege ich unter einer dünnen Baumwolldecke und friere.

Kurz vor Acht werde ich von allein wach und bin für einen Moment erschrocken, dass ich ja noch über 500 Radkilometer vor mir habe. Draußen scheint zwar wieder die Sonne, aber es ist noch ziemlich frisch und auch nebelig. Die Kontrolle ist zu voll als dass man auch nur schnell einen Kaffee bekommen könnte. Also fahre ich direkt los und verschiebe das Frühstück auf die nächste Kontrolle. Unterwegs dorthin erstehe ich aber schonmal zwei Schokobrötchen bei einem Bäckerstand an der Straße.
Der erhoffte Rückenwind stellt sich nicht so recht ein. Es herrscht eher Flaute, was aber auch OK ist. Erst gegen Abend kommt ein sanfter Anschub gen Osten.

Während ich in der eingebrochenen Nacht vor Mondaufgang über die Landschaft gleite, erhebt sich über mir ein beeindruckender Sternenhimmel! Ich bleibe kurz stehen, lösche mein List und blicke staunend in die Milchstraße auf. Millarden von Sonnen. Tausende Lichtjahre entfernt. Und hier stehe ich, in der Folge einer Kette von Sternexplosionen, die den Stoff aus dem ich und mein Fahrrad erschaffen sind, geboren und ins All geschleudert haben.

Bei km 1012 lande ich gegen 2:30 Uhr am Mittwochmorgen in der vorletzten Kontrollstation. Hier begegne ich Rico und drei weiteren Mitfahrern, denen ich zuvor schon mehrmals begegnet war. Da wir offenbar mit demselben Tempo unterwegs sind, können wir von nun an auch genausogut zusammen fahren. Der Plan ist es, um 4:00 Uhr auf die letzten 200 km aufzubrechen, damit wir genug Puffer auf ein sich auftuendes 70-Stunden Ziel haben. Also nur kurz schlafen - wir verlieren keine Zeit mit der Schlafhalle, sondern legen uns auf den Fußboden. Einige haben eine Rettungsdecke zum wärmen, ich ziehe mir meine Radfahrjacke über und lege mich auf das Vinyl.
Pünktlich geht es los. Und wie es scheint, haben andere denselben Plan: schnell schließen wir auf und unsere Radgruppe schwillt bis zur letzten Station in Dreux auf etwa 20 bis 30 Radfahrer an - inklusive Tandem von Ralph und Monika. Monika ist letztes Jahr eine Katze in das Vorderrad gelaufen und seither mag sie nicht mehr solo fahren. Also haben die beiden sich das Tandem angeschafft und gehen jetzt zusammen auf Tour.

Von Dreux sind es nur noch 44 km. Kaum zu glauben, dass es schon fast wieder vorbei ist. Und es ist sogar einmal flach! Nur, dass meine Achillessehnen jetzt zu schmerzen beginnen. Es macht das Pedalieren sehr unangenehm. Ich muss kurz aus der Gruppe um mich umzuziehen und noch einmal eine wunde Stelle nachzucrémen. In der Folge muss ich ganz schön in die Pedale treten, um wieder Anschluss zu finden. Meine momentane Erschöpfung bringt mir Sympathiepunkte.
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Mit dem ICE geht es auf die letzten 200 km.

 
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Der ersehnte Zielbogen

Die letzten Kilometer. Mir und Rico gehen die Pferde langsam durch. Wir werden immer schneller, prügeln die letzten Wellen auf dem großen Blatt hoch. Erreichen den Park aus dem wir vor drei Tagen aufgebrochen sind. Düsen in Schlangenlinien und unter anerkennendem Applaus durch die Menschenmenge auf die Ziellinie zu. Rico streckt die Hand aus und ich ergreife sie. Mit erhobenen Armen durchfahren wir gemeinsam das Ziel. Noch ein letzter Stempel, eine Medaille und Richtungsschilder (die gesamte(!) Strecke war ausgeschildert) zum Andenken, und wir liegen uns in den Armen, als wären wir nicht nur die letzten 200 km zusammengefahren. Überhaupt macht sich Euphorie breit. Der Rest der Gruppe ist mittlerweile auch eingetroffen und auch das Tandem ist schon da. Wir sitzen beim Essen (und endlich ein Bier!) und erzählen und notieren uns unsere Namen - für‘s nächste Mal. Ich hole meinen Duschbeutel und während ich auf das Shuttle warte, schlafe ich ein.

Epilog.

Ich habe etwas über 69h benötigt, wobei ich bis km 1000 auch keinen Wert darauf gelegt habe, deutlich unter 80 Stunden anzukommen. Insgesamt ist die Zeit schnell vergangen und auch der eine Tiefpunkt etwa bei km 450 war nicht so schwarz. Wirklich alles nur Kopfsache. Mein rechter Ringfinger ist noch taub, aber das sollte sich in den kommenden Monaten wieder geben.

Paris-Brest ist besonders wegen der vielen Teilnehmer und Nationen und der Unterstützung aus der Bevölkerung - sogar die Autofahrer verzichten auf ihr Vorfahrtrecht und lassen den Randonneuren den Vortritt. Aber die Strecke ist zu langweilig, die Cuisine mittelmäßig und überhaupt, dass man für alles Bezahlen muss, mutet etwas befremdlich an. Daher werde ich vermutlich nicht noch mal auf diese Strecke gehen. Stattdessen habe ich heute schon Pläne für eine Teilnahme an der LEL 2021, die dann über 1500 km gehen soll. Falls die Briten dann noch Europäer auf die Insel lassen, heißt das.
Mein Fahrrad wartet auf die letzte Etappe.
Kunstwerke zum Anlass der PBP entlang der gesamten Strecke.

Die französische Cuisine konnte nicht überzeugen.
Eines der selterneren Triplets.
Auch 200 km können ein Team zusammenschweißen.

Das Stempelheft dokumentiert die Fahrt.
Manchmal ging es sportlich zu …
… manchmal weniger.

Die kompletten 1200 km sind ausgeschildert!
Bis kurz vor Ende ist es eigentlich niemals flach.

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